
Immer wieder, wenn ich über meine erste Schwangerschaft und meine damit verbundene Frühgeburt schreibe oder erzähle, werde ich gefragt, wie wir es geschafft haben, das Risiko einer weiteren Frühgeburt durch eine zweite Schwangerschaft einzugehen. Was unsere Ängste und Gedanken waren und wie wir damit umgegangen sind.
Als unser Sohn in der 33. Schwangerschaftswoche über 7,5 Wochen zu früh zur Welt kam, konnte ich mir tatsächlich lange Zeit kein weiteres Kind vorstellen. Ich war traumatisiert und erschüttert von den Erlebnissen und einfach froh, dass wir diese Zeit überstanden hatten und es meinem Sohn gut ging. Ich wollte zuerst nicht noch einmal eine Schwangerschaft durchstehen, war sie doch von Anfang an geprägt von Ängsten und Zweifeln. Gerade, da ich nun schon ein Kind zu Hause hatte, wollte ich nicht in die Situation kommen, entscheiden zu müssen, bei meinem Frühchen im Krankenhaus zu sein oder meinem Sohn zu Hause.
Und trotzdem erwachte in mir der leise zaghafte Wunsch, es noch einmal zu wagen. Wir waren gerne Eltern und hatten das Gefühl, noch nicht komplett zu sein. Wir fanden den Gedanken eines Geschwisterchens für unseren Sohn sehr schön.
Was wenn es diesmal gut gehen würde?
Was wenn ich diesmal eine schöne Schwangerschaft erleben würde und sogar eine natürliche Geburt?
Der Wunsch wurde immer stärker. Umso stärker die Sehnsucht war, umso mehr rückten die traumatischen Erlebnisse in den Hintergrund.
Noch einmal wagen. Noch einmal aufbrechen zu diesem Abenteuer. Dachten wir uns.
Mut und Angst begleiteten uns gleichermaßen durch diese Zeit des Ringens, Abwägens und Nachdenkens.
Mut und Angst. Mein Dauerthema.
Es war an der Zeit für einen Mutausbruch.
Entgegen meiner Erwartungen wurde ich sofort schwanger, nachdem wir den Entschluss gefasst hatten. Ich bin dankbar für dieses Geschenk, denn ich weiß nicht, ob ich meine Meinung nicht doch noch einmal geändert hätte, wenn es länger gedauert hätte.
Die Schwangerschaft war geprägt von Vorsorge und Kontrolle. Ich war in mehrfacher Hinsicht risikoschwanger. Die Klinik und mein Arzt wollten mich engmaschig kontrollieren, war meinem Bedürfnis nach Sicherheit entgegenkam.
Natürlich hätten diese Kontrollen im Ernstfall nicht geholfen, aber sie zeigen eine Momentaufnahme, die mir immer die Kraft gab, weiter an einen möglichen guten Ausgang zu glauben. Ich brauchte diese medizinische Bestätigung dieses Mal sehr, war doch alles in mir verunsichert und am Wanken.
Ich wollte vertrauen. Ich wollte mutig sein. Ich wollte Zuversicht haben. Und doch fürchtete ich mich. Immer wieder. Immer mehr. Von Woche zu Woche spitzte sich mein schlechtes Gefühl zu. Ich fragte mich, wie ich diese Zeit seelisch unbeschadet überstehen sollte.

Als mein Arzt krank war und ich zu seiner Vertretung musste, war ich zuerst unsicher. Aber es stellte sich als Geschenk des Himmels heraus. Ich traf auf eine freundliche, junge, emphatische Ärztin, die nach wenigen Worten meine Verfassung richtig einschätzte und mir empfahl, mich durch die nächsten vielen Wochen der Schwangerschaft seelisch begleiten zu lassen. Sie erzählte mir von Hebammen, die ausgebildet waren in der ersten emotionalen Hilfe in der Schwangerschaft, dass dies die Kasse bezahlen würde und diese Frauen dafür ausgebildet sind, traumatisierte Schwangere durch diese Zeit zu begleiten.
Diese für mich zuständige Hebamme wurde zum Anker unserer ganzen Familie. Sie spiegelte und reflektierte mich, begleitete mich durch meine Ängste, durch Panikattacken und fing auch meinen Mann und Sohn in dieser Zeit auf. Sie sah uns alle. Sie hatte mich im Blick. Sie spürte alle Stimmungen und schaffte es, innerhalb weniger Minuten zum Kern meiner Ängste vorzudringen und dort mit mir zu arbeiten.
Mit ihr konnte ich Frieden finden über die letzte Schwangerschaft. Ich konnte allem, was war einen Platz einräumen und mich versöhnen.
Sie wusste genau, wann ich medizinische Ratschläge brauchte, oder einfach nur seelischen Beistand. Sie arbeitete viel mit Symbolen und Bildern und half mir, dass ich mich nicht mehr vollends in der Angst verlor.
Sie half uns, Vorfreude zu entwickeln und dem Baby in meinem Bauch den Platz in der Familie einzuräumen, der ihm zustand. Aus Angst eines Verlustes vergaß ich nicht selten, meinem Sohn von seinem Bruder zu erzählen oder mir selbst Vorfreude zu erlauben und sie konnte das mit auffangen und entwickelte gemeinsam mit uns drei als Familie Rituale, um Kontakt zum Baby aufzunehmen.
Sie gab mir Sicherheit und Vertrauen in meine eigenen Instinkte zurück.
Am Ende der Schwangerschaft schaffte ich es sogar, Wünsche zu formulieren und zu hoffen, dass es diesmal anders werden könnte.
Und es kam anders. Ich bekam einen wundervollen, zweiten Sohn und durfte erleben, wie es ist, sein Kind auf natürliche Weise zur Welt zu bringen. Ich erlebte, wie sich ein „normales“ Wochenbett anfühlt und konnte mein Glück kaum glauben, dass ich meinen Sohn einfach mit nach Hause nehmen konnte.
Es folgte eine Zeit voll Glück und Trauer.
Glück über dieses Wunder, über diese Geburt, diese Art ins Leben starten zu dürfen, diesen gesunden, perfekten Sohn.
Trauer über alles, was mein Erstgeborener nicht erleben durfte.
Mir wurde bewusst, um was ich beraubt wurde und unter welchen Bedingungen er ins Leben starten musste.

Dieser Zwiespalt der Gefühle wurde auch im Wochenbett von dieser Hebamme aufgefangen. Alles durfte sein. Freude und Trauer, Glück und Leid. Und vor allem Heilung. Seelisch und körperlich.
Ich konnte mich mit meiner Geschichte versöhnen, nachdem ich durch all diese Gefühle immer wieder gegangen bin.
Am Ende überwog die Dankbarkeit
Diese beiden Geburten werden, so unterschiedlich sie waren, immer zu meiner und ihrer Geschichte gehören.
Diese beiden Söhne sind ein Geschenk des Himmels.
Ich wünsche jeder Schwangeren eine solche Begleitung und möchte Mut machen, wenn du traumatisiert bist oder starke Ängste hast, nicht alleine da durch zu gehen. Alleine hätte ich diese Zeit nicht so gut überstehen können.
Die Leistung dieser Hebammen wird komplett von der Kasse übernommen.

Alles Liebe dir,
deine Lena
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